Von Freud und Leid - Ein Erlebnisbericht aus der Sicht eines Mechanikers

Alles ist klebrig und nass. Michael Ruh verrenkt sich, damit er aus dem verschwitzten Rennkombi kommt. Er zieht den feuerfesten Pulli aus, einen Socken, dann den anderen. Jede Bewegung langsam. Er schaut dich an und sagt: „Ich habe so gekämpft, war so gut dran. Ich hätte 5. werden können.“ Beim letzten Satz versagt die Stimme. Er hebt das Bein hoch, stützt sich mit den Ellenbogen auf sein Knie und lässt den Kopf nach vorne fallen. Du sitzt nur da im engen Umkleideraum, gerade vor ihm und du schaust ihn hilflos an. Du weißt nicht was sagen. Du hast auch gesehen, wie er sich auf den 5. Platz gekämpft hat. Als ihm Felix Groppengiesser in die Seite knallt und ihn von der Piste geschickt hat, hast du laut geschrieen. Du hast verfolgt, wie er die Konkurrenten wieder eingeholt hat und sich von dem 12. Platz wieder auf den 8. nach vorne geschafft hat. Den Zweiten Dreher hast du nicht mitbekommen, doch als du den Clio mit dem schwarz-gelben Design wieder weiter hinten erblickt hast, hast du dir ausmalen können, was vorgefallen ist. Doch weil Michael bissiger denn je fuhr, hast du gedacht, dass er sich schon noch nach vorne arbeitet.

Als der Schaffhausen race car wieder vorbei gefahren ist und du wahrgenommen hast, dass er nur noch gehustet hat, hast du deinen Augen nicht getraut. Du erinnerst dich, wie du den Kopf geschüttelt hast. Auch jetzt schüttelst du den Kopf. Die Bilanz zur Saisonhälfte sieht schlecht aus. Von vier Rennen ist er zwei Mal ausgeschieden, einmal wurde er 15. einmal 7. Im Gesamtklassement ist er auf den 19. Rang zurückgefallen. Weit weg von seinem Saisonziel. Das Auto musste jedes Mal ordentlich repariert werden. Der Sportler, der vor dir seiner Enttäuschung freien Lauf lässt, weiss, dass Freud und Leid dazu gehören. Ihm es zu sagen, bringt ihn nicht weiter. Das weißt du. Deshalb sitzt du nur da. Er verdaut. Dann sagt er endlich: „Ich bin gute Rundenzeiten gefahren, ich weiss, dass ich noch Potenzial habe. Daran halte ich mich fest.“ Diesen Satz fertig ausgesprochen, kommt er wieder zu sich. Er geht duschen. Dann diskutiert er mit dir über die Schäden am Auto. Du sagst ihm, dass er eine neue Tür und einen neuen Kotflügel benötigt. Technisch ist es kniffliger, du rümpfst die Nase. Du weißt, da muss noch getüftelt werden, ob die Benzinpumpe kaputt ist oder ob es sich um ein elektrisches Problem handelt. Du ziehst die Augenbrauen hoch, Michael hat es verstanden. Es wird teuer. Doch genau diese Blicke, diese stumme Hilfe, dieses Dasein hilft ihm. Das nächste Mal wird er wieder alles geben.







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