Ich sah nur noch rosa

Vor mir, drei Meter ab Boden, schiesst ein Auto durch die Luft. Ich sehe nur noch rosa, dann ist mein Rennen aus. Dabei hatte alles so gut angefangen. Im Vergleich zum Vorjahr hatte ich mich stark verbessert und mir einen Platz unter den ersten 15 erhofft - auf dieser anspruchsvollen Strecke. Die Nordschleife. Für die meisten Rennfahrer beides: Eine innige Liebe und eine endlose Herausforderung. Der Pilot führt sein eigenes Duell in der ungeheuren Achterbahn mit 180 Rechts- und Linkskurven und den massiven Bodenunebenheiten. Respekt hat jeder Fahrer. Passiert irgendwo ein schwerer Unfall sagen alle: „Das ist die Nordschleife, damit muss jeder rechnen!“

Letztes Jahr habe ich mich zum ersten Mal in diese berühmt-berüchtigte "Grüne Hölle" gewagt und mich ihren Tücken gestellt. In Passagen wie der bekannten "Fuchsröhre" geht es steil nach unten, Vollgas, im sechsten Gang weit über 200 Km/h, mit einer starken Kompression und einem Linksknick - im "Wippermann" lenkt man blind in die Kurve ein, sieht nur den Himmel und muss direkt nach der Kuppe stark bremsen. Es ist eine Achterbahn für die Sinne - 26 Kilometer lang. Letztes Jahr hatte ich grossen Respekt, ich verlor 30 Sekunden auf die Spitze. Dieses Jahr noch 11 Sekunden. Ich hatte mich sehr auf das Rennen gefreut und war kämpferisch aufgelegt.

"Mit der Brechstange haut es auf der Nordschleife nie" hatte unser Fahrwerkexperte gesagt. Im Training wurden viele Autos demoliert. Auch der Tabellenführer, Sascha Weber, der unbedingt mit den Nordschleifen-Experten vorne mitmischen wollte, fuhr sein Auto zu Schrott. Im Rennen am Samstag gleich noch einmal. Unser Teamcoach forderte uns auf, ruhig "Köpfchen" zu bewahren. Klassements seien auf der "Döttinger Höhe" schon oft neu vergeben worden, meinte er, und manch ein Führender wäre dort im Windschatten von einem ganzen Zug überholt worden und hätte sich plötzlich auf Position neun wiedergefunden.

Gleich nach dem Start hänge ich mich an einen Zug mit sieben Fahrern. Vor mir Traudl Klink, die Nordschleifen Expertin mit dem rosafarbenen Auto. Ihr Überholmanöver bei 190 Km/h wird ihr zum Verhängnis. Sie wird nach links abgedrängt, erwischt den hohen Randstein und prallt rechts gegen die Leitplanke. Der Clio steigt 3 Meter hoch und fliegt über die Strecke zurück. Intuitiv lenke ich nach links und werfe mein Auto längsseits in die Leitplanke. Gleichzeitig knallt mir das rosa Wrack vorne rechts auf die Motorhaube. Ich kann mein eigenes Auto nur mit Mühe und Not stabilisieren. Geschockt bringe ich meinen kaum fahrbaren Clio in die Box zurück. Traudl Klink entstieg unversehrt aus den Trümmern. Beide sind wir gesund und dankbar.







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