Ruh in der Grünen Hölle

Nur 28 der 40 Fahrer der deutschen Renault Clio Speed Trophy starteten zum 2. Lauf auf der berühmt-berüchtigten Nordschleife des Nürburgrings. So gross ist der Respekt vor der "Grüne Hölle". Michael Ruh ist dort zum ersten Mal gefahren. Hintergründe und Eindrücke...

Stellen Sie sich vor im Randengebiet rund um das Chläggi würde eine 26 km lange Rennstrecke mit 180 Kurven liegen. Irgendwo zwischen Neunkirch und Gächlingen gelangt die Strecke vom Südranden auf den Langranden. Siblingen, Löhningen, Beringen und Guntmadingen sind einfach mitten drin. In der Enge gibt es eine Brücke, oben die Rennstrecke, unten der normale Verkehr. Die Rennstrecke ist so in die Landschaft eingebettet, dass man nichts von ihr merkt - ausser ein bulliger Sound, wenn ein Rennbolide vorbei fliegt.

Dann stellen Sie sich vor, 120 000 Zuschauer würden sich während einem Wochenende um diese Rennstrecke in Zeltlagern und Wohnwagenstädten ansiedeln. Es sieht so aus, als ob die Fans ihre Wohnstuben ausgeräumt haben. Sie sitzen an der Strecke, just hinter ihnen haben sie gefüllte Kühlschränke mit Bier und Lagerfeuer zum grillieren eingerichtet. Teure Soundanlagen sorgen für noch lautere Stimmung.

Die Nordschleife ist westlich von Koblenz in die Eifelberge eingebettet. Sie wurde mit dem Ziel gebaut, möglichst viele Touristen anzuziehen. Das ist den damaligen Unternehmern gelungen. Von Amerika und ganz Europa strömen Touristen auf die Nordschleife und fahren die Strecke während den sogenannten Touristenfahrten mit dem privaten Auto oder einem Motorrad ab. Manchmal gibt es sogar Busse auf der Strecke. Auch die Rennfahrer zieht die Nordschleife an wie ein Magnet, denn sie gilt als Mythos, als schwierigste Rennstrecke schlechthin.

Selbst erfahrene Piloten haben grossen Respekt vor der "Grünen Hölle", wie sie genannt wird. Mit rund 26 km ist sie fünf mal so gross wie ein üblicher Rundkurs. 180 Kurven sind es, viele davon schlank und schnell mit Tempi bis über 200 km/h; manche sind stark überhöht, unübersichtlich. Andere wiederum sehen so harmlos und bieder aus, wenn man sie mit 95 Sachen richtig anschneidet. Kommt jedoch einer mit 105 km/h daher und übersteuert den Wagen noch um eine Kleinigkeit, dann wird er gewöhnlich zehn Minuten später mit dem Sanitätsauto abgeholt. Das Gas richtig dosieren, lautet die Devise auf der Nordschleife. Denn der Boden ist so uneben, dass es leichtere Renngeräte um Wagenbreite versetzt.

Schnell ist nur wer Nordschleifenerfahrung hat. Diese fehlte Michael Ruh natürlich. Bei vielen heiklen Passagen wagte er es noch nicht, das Gaspedal kompromisslos herunter zu stampfen. Manche Konkurrenten landeten schon während den Zeittrainings in den Leitplanken, das Auto komplett zerstört, denn Ausrutschzonen gibt es nirgends. “Mein 22. Rang hat mich schon ein Bisschen gefuchst. Aber wenigstens habe ich die Herausforderung angenommen”, sagt Michael Ruh. Zehn der regulären Meisterschaftsteilnehmer hatten nämlich für die Nordschleife Forfait gegeben. "Die Nordschleife ist noch schwieriger als Bergrennen, doch sie hat es mir angetan. Ich werde wieder antreten. Schneller", meint der Rennfahrer dezidiert.

Ihn hat aber nicht nur der Mythos Nordschleife gepackt sondern auch das ganze Umfeld des internationalen 24h-Rennens, eines der grössten Motorsportevents überhaupt. Die Ausdauer der Fahrer und ihr Können beeindruckten ihn sehr. Vor allem aber faszinierten ihn die 120'000 Fans. "So was habe ich noch nie gesehen. So viele Menschen, und alle so friedlich beisammen", wundert sich Michael Ruh. Am Zaun vor der Strecke sprachen sie untereinander, beim Biertrinken oder in den langen Schlangen vor den Curry-Wurst Ständen. Auch im komplett überlasteten Verkehr blieben alle ruhig. Wie ein Himmel auf Erden...







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